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Familiengeschichten
Projektart
Fotografie
Datum
April 2023
Fridl hat ein sanftes Gesicht, schaut direkt in die Kamera, die Augen liegen tief. Ihr Haar ist gescheitelt und über den Ohren zurückgenommen. Ihre Unterarme vor der weißen Schürze, deren Biesen bis zu den Schultern reichen, sind nackt.
Sie schneidet Tomaten, doch hat sie das Messer nur für das Foto in die Hand genommen — die Schneide zeigt nach oben. Auf der Marmorplatte liegen Essensabfälle. Die Schubladen darunter sind nur halb geschlossen. Weit darüber, so weit oben, dass ihre Hände kaum hin reichen, hängt ein kleines Bord mit Zucker und Salz. An der Wand hängen Kellen und kleine Töpfe.
Ein schönes Mädchen. Im Pfarrhaus ihrer Eltern hilft sie im Haushalt und im Garten. Jeden Tag läuft sie mehrere Kilometer zur Schule in Weißenburg. Dort wird sie ihr Abitur machen — in einem Teil Deutschlands, der später wieder zu Frankreich gehört.
Sie wird in die Schweiz reisen und danach als Lehrerin nach England gehen.
Sie wird zurückkehren und ihren Geliebten an die spanische Grippe verlieren.
Schließlich wird sie den neuen Pfarrer heiraten. Da ist sie dreißig, Karl ist sieben Jahre älter.
Karl ist damals aus Bayern in die Pfalz gekommen, aus dem Kloster Andechs, dort hat er um ein Zeichen gebeten: Wenn seine Kerze beim stürmischen Morgenlob nicht ausgeht, darf er das Kloster verlassen und evangelischer Pfarrer werden.
Seine Kerze brennt.
Fridl bekommt drei Kinder.
Den Ring des Geliebten wird Fridl ihr Leben lang tragen.

