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Susann Mathis

Irrgärten und Matroschka-Puppen

Irrgärten und Matroschka-Puppen

Medienkonzentration in Baden-Württemberg

Baden-Württemberg hat im Vergleich zu anderen Bundesländern noch immer eine hohe Zeitungsvielfalt, aber was die Eigentümerstrukturen anbelangt, so fühlt man sich an russische MatroschkaPuppen erinnert: Hat man die äußere Hülle erst mal entfernt, ist man noch lange nicht beim Kern angelangt. Vorher kommen noch Querverbindungen wie etwa Anzeigenoder inhaltliche Kooperationen oder die Übernahme von Mantelteilen, danach komplexe Eigentumsverhältnisse mit unterschiedlich großen Anteilen, Holdings und Zwischenholdings.

Die Daten zu dieser Grafik finden Sie hier. Darin sind die Zeitungstitel in Baden-Württemberg und ihre jeweiligen Gesamt-Auflagen laut IVW 4-2014  aufgelistet. Da wir unsere Daten aus verschiedenen, öffentlich zugänglichen Datenbanken zusammengestellt haben, bitten wir unsere Leserinnen und Leser um Korrektur oder Ergänzung


Eine dieser Matroschka-Puppen in Baden-Württemberg ist die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH). Mit der Hauptgesellschafterin Medien Union zusammengerechnet bildet die SWMH neben der Axel Springer AG und der Funke Mediengruppe eine der drei größten Tageszeitungsgruppen in Deutschland. Federführend bei der Betrachtung der Konzentration der Tagespresse in der Bundesrepublik Deutschland ist der Medienwissenschaftler Horst Röper mit dem Formatt-Institut in Dortmund. Röper unterscheidet in seiner Studie zur Konzentration Verlagsgruppen und differenziert nach folgenden Kriterien:

• Verlage, die an anderen Verlagen mit mindestens 25 Prozent beteiligt sind, bilden mit diesen Verlagen eine Verlagsgruppe. • Jede Verlagsgruppe hat in ihrem Zentrum einen Verlag, der als so genannter Mutterverlag gilt. Die Bestimmung dieses Mutterverlags ist der erste Schritt bei der Definition einer Verlagsgruppe. • Beteiligungen des Mutterverlags an anderen Verlagen (abgerundet 25 Prozent) verleihen diesen den Status eines Tochterverlages. • Sind mehrere Verlage an einem Verlag mit gerundet mindestens 25 Prozent beteiligt, so wird dieser Verlag mehrfach als Tochterverlag ausgewiesen.

Mit diesen Kriterien ist in Baden-Württemberg führend die Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung / Die Rheinpfalz (Ludwigshafen) / Südwest Presse (Ulm), ein Konstrukt aus drei Mutterverlagen mit über 30 Zeitungstiteln, zur Beschreibung der vielfachen Verpflichtungen braucht Röper 28 Fußnoten. Wie viel Einfluss diese Gruppe in Baden-Württemberg schon jetzt hat, zeigt die obenstehende Grafik. Wenn nun ein neuer Vorstoß geführt wird, das operative Geschäft des Haller Tagblatt auf die Südwest Presse (SWP) zu übertragen, wächst damit wieder der Einfluss der südwestdeutschen Medienholding und damit der oben beschriebenen Verlagsgruppe. Das Haller Tagblatt gehört vollständig der neuen Pressegesellschaft in Ulm und ist heute schon Mitglied im Verband der von der neuen Pressegesellschaft herausgegebenen Südwest Presse. Diese produziert für ihre angeschlossenen Zeitungsverlage Mantelseiten. Schon 2008 sagte Horst Röper anlässlich der Übernahme des Süddeutschen Verlags durch die SWMH: “Der Markt wird stetig monopolisiert, die Besitzverhältnisse haben sich in den letzten 20 Jahren nachhaltig verändert. Tatsächlich sind die Eigentümer im Hintergrund aber immer dieselben. An dieser Entwicklung sind die großen Verlage dieser Gruppe deutlich beteiligt.” Und er verliert auch die vielfältigen anderen Aktivitäten – Hörfunk, Fernsehen, Anzeigenblätter, Internet – nicht aus den Augen: “Diese verknüpft mit den Möglichkeiten des SV – da entsteht ein publizistisches Konglomerat von ungeheurer Macht.”

„Ebenso verwirrend wie die Beteiligungssind auch die Tarifstrukturen innerhalb eines Konzerns“, sagt dazu die baden-württembergische DJV-Landesvorsitzende Dagmar Lange. Als Beispiel nennt sie die Lahrer Zeitung, eine 100-prozentige Tochter des Schwarzwälder Boten, der wiederum zur SWMH gehört und von den Stuttgarter Nachrichten die Mantelseiten erhält. „In keiner der Redaktionen wird unter den gleichen Bedingungen gearbeitet. Während der Schwarzwälder Bote nach 96 Streiktagen 2011 wieder für die bis dahin angestellten Redaktionsmitglieder in die Tarifbindung zurückgekehrt ist, herrscht bei der Lahrer Zeitung untertariflicher Wildwuchs. Generell sei bei allen Verlagen die Tendenz zu Gesellschaftsausgründungen mit dem Ziel der Tarifflucht stark ausgeprägt, stellt Lange fest.

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